Kapitel 7: Verliebt – Teil 3

 



Tatsächlich sah die Gesegnete Gemahlin Bu in diesem Moment mit ihrem sanften Lächeln und den überlaufenden Tränen schöner aus denn eh und je.

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Die Gesegnete Gemahlin Bu nahm sich selbst das Leben.

Gleich am Abend nach der glorreichen Heimkehr von Kishohs Armee hatte sie sich hinter den Rücken der kastrierten Soldaten, die auf die Acht geben sollten, unter den Bäumen des Gartens erhängt.

Im Reich Yoh konnten die Konkubinen des Kaisers, wenn man über sie die Todesstrafe verhängte, zwischen zwei Arten der Hinrichtung wählen: Vergiftung oder Erdrosseln. Mit anderen Worten hatten sie die Wahl, entweder selbst ein Gift zu nehmen, oder sich aber von den Eunuchen mit einem Seidenband erwürgen zu lassen.

Die Gesegnete Gemahlin Bu hatte keine dieser zwei Möglichkeiten gewählt, sondern vielmehr ihr Leben selbst beendet, ehe Kishoh das Urteil über sie verhängen konnte.

Der Zeitpunkt ihres Todes passte gut zu dem stolzen Charakter der Gesegneten Gemahlin Bu. Sie beide hatten zwar eine konfliktbeladene Beziehung zueinander gehabt, doch Sekka konnte diese Frau einfach nicht hassen.

Für manche Leute war ein Schicksal vorgesehen, gegen das sie sich einfach nicht wehren konnten. Die Gesegnete Gemahlin Bu und Kishoh waren wohl einfach dazu bestimmt, am Ende auf gegnerischen Seiten zu stehen.

Sekka verstand nicht, warum diese Frau ihn am Ende noch einmal so dringend hatte sprechen wollen – immerhin war er noch immer ihr Liebesrivale. Doch er glaubte, dass sie vielleicht einfach noch mal über ihre wahren Gefühle reden wollte – und ihre Worte zu diesem Zeitpunkt nicht gelogen waren.

Die Gesegnete Gemahlin Bu hatte ihre Entscheidung getroffen, ihr Schicksal akzeptiert und war dann gestorben. Diese Frau hatte selbst nichts mehr tun oder bewirken können und am Ende hatte dann ihr Stolz gesiegt. Sekka konnte seine Tränen nicht zurück halten, wenn er an den kleinen Bunshoh dachte, doch nun blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als dafür zu beten, dass diesen zwei Menschen im nächsten Leben mehr Glück beschieden sein würden.

Eishun hatte ihm erzählt, dass Kishoh wohlbehalten zurück gekehrt sei und – abgesehen von der Wunde vor ein paar Tagen – auch nicht verletzt worden war. Allerdings gab es keine weiteren Befehle für Sekka und Eishun hatte ihm auch nur die Nachricht von Kishohs Rückkehr überbracht. Sekka merkte, dass er enttäuscht war.

Da eine so ernste Angelegenheit geklärt und die Rebellion des Premierministers zerschlagen worden war, würde es in dieser Nacht wohl ein großes Fest geben. Er kam sich dumm vor, dass er erwartet hatte, Kishoh schon so kurz nach dessen Ankunft sehen zu können.

Das Abendmahl kam zu einem Ende, doch Sekka hatte keinen großen Appetit gehabt und nicht viel gegessen. Er wusste, dass Shohen und Baigyoku sich Sorgen um ihn machten. Doch gerade, als er all seine Hoffnungen widerlegt sah und immer trübsinniger wurde, kam die Nachricht, dass Kishoh ihn sehen wollte.

Sekka fragte sich, ob Kishoh wohl erwartete, dass Sekka glücklich zu ihm eilen würde, nachdem er ihn zu sich bestellt hatte. Er fragte sich, ob Kishoh überhaupt wusste, wie groß seine Sorgen um ihn gewesen waren.

Sekka dachte an viele verschiedene Dinge – er dachte sogar daran, diese Einladung zurück zuweisen – doch am Ende überwand der Drang, erneut Kishohs Gesicht zu sehen und sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging. Und im Hinblick auf dieses baldige Treffen verriet sein immer schneller werdender Herzschlag seine wahren Gefühle.

Er badete sich, traf Vorkehrungen und ließ sich in einer Einzelsänfte zum Shibi-Hof bringen. Ihn überkam ein Gefühl der Nostalgie, als er daran dachte, wie man ihn erst vor wenigen Wochen noch so gut wie jeden Tag auf dieselbe Art zu Kishoh gebracht hatte – ohne ihm auch nur eine Pause von zwei aufeinander folgenden Tagen zu gönnen.

Als er leicht nervös das Wohnzimmer betrat, schrieb Kishoh gerade einen Brief. Wie zu erwarten hatte er seine Rüstung abgelegt und sich wieder in seine übliche schwarze Robe gehüllt. Doch obwohl er gerade erst zurück gekehrt war, hatte er noch zu tun.

Es ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Wie ist es dir ergangen?“ Kishohs Frage war sehr direkt und er hob nicht einmal den Kopf, als sich Sekka mit vor der Brust gefalteten Armen vor ihm verbeugte. Sekkas Blick glitt auf seine Hände. Sie waren grob und schwielig, doch seine Handschrift war schwungvoll und elegant.

Kishoh war schon immer so zu ihm gewesen, daher wollte er nun auch nicht wütend auf ihn sein. Im Gegenteil: Als er nun dieses vertraute Bild sah – wie Kishoh mit seinem Pinsel schrieb – breitete sich in Sekka eine unbeschreibliche Erleichterung und Freude aus.

Es war wunderbar… Es ging ihm gut

Allein schon Kishohs Anblick hatte die Unruhe, die Sekka während seiner Abwesenheit befallen hatte, hinweg gewischt. Und inzwischen verstand Sekka auch, was das für ein Gefühl war, was nun stattdessen seine Brust erfüllte.

Bis zum heutigen Tag hatte er sich immer wie ein Blatt im großen Rad des Schicksals treiben lassen und dabei das eigene Unglück betrauert. Doch nun wollte er nicht mehr länger vor dem davon laufen, was die Götter für ihn bestimmt hatten. Als er sich mit der Gesegneten Gemahlin Bu getroffen hatte, hatte Sekka seine Entscheidung getroffen.

Ich hoffe, du bist wohlbehalten zurück gekehrt…“

Zu deinem Leidwesen bin ich das wohl.“

Gerade, als Sekka versuchte, ihm seine Glückwünsche auszusprechen, fiel ihm Kishoh auch schon ins Wort. Seine Anschuldigung war nicht verwunderlich, wenn man bedachte, wie Sekka bisher immer mit ihm gesprochen und sich ihm gegenüber verhalten hatte.

„… So meinte ich das nicht.“

Komisch, dass du das abstreiten willst“, meinte Kishoh mit einem Lachen, das sich aber nur auf seinen Lippen zeigte. Unfreiwillig erbebte Sekkas Herz, als er seine sarkastische Miene sah, die trotz allem immer noch einen sehr männlichen Charme versprühte.

Als er mit seinem Schreiben fertig zu sein schien, legte Kishoh den Pinsel zur Seite und winkte Sekka näher zu sich. Seine parfümierten Kleider rochen äußerst angenehm.

Wie ich hörte, hast du dich mit der Gesegneten Gemahlin Bu getroffen.“

„… Ja.“

Wahrscheinlich hatte ihm Eishun das berichtete. Und wenn dem so sei, so kannte er mit Sicherheit auch den Inhalt dieses Gesprächs zwischen Sekka und der Gemahlin Bu. Über die letzten Momente von Bunshoh und dieser Frau sollte man jetzt wohl lieber nicht sprechen.

Kishoh machte keine weitere Anspielung mehr auf die Mutter und ihr Kind. Stattdessen goss er aus einer bereitstehenden Karaffe etwas Alkohol in zwei gläserne Becher und bot einen davon Sekka an. Der tiefrote Wein schwappte in den Bechern, die aus klaren Lapislazuli bestanden, wie man ihn nur in den Ländern des Westens fördern konnte.

Kishoh schenkte sich ebenfalls ein und hob die Trinkschale an, als würde er einen Toast aussprechen wollen.

Sekka folgte seinem Beispiel, hob seinen Becher und kostete den Wein. Das starke Aroma der Traube breitete sich in seinem Mund aus. Er hatte erst ein- oder zweimal so etwas Köstliches getrunken.

War dies nun ein Anstoßen, dass Kishoh es geschafft hatte, die Rebellion zu zerschlagen – oder war es ein Toast zum Gedenken an die Seelen der Gesegneten Gemahlin Bu und ihres Sohnes Bunshoh? Kishohs Miene, die im flackernden Kerzenlicht erhellt wurde, wirkte recht düster. Man konnte nicht die Spur der Freude darin sehen, dass er gerade erfolgreich eine Schlacht gewonnen hatte.

Genauso war es auch damals gewesen, als er Ka gestürzt hatte. Es hatte keine Feier für diesen Triumph gegeben. Sekka erinnerte sich vielmehr, dass der Mann auch damals so ruhig und ernst gewesen war. Sekka hatte gedacht, dass dies seine Art sei, ihn noch mehr zu demütigen.

Er hatte gedacht, dass dieser Mann einfach nur mitleidlos, grausam und hartherzig war – doch wahrscheinlich hatte er damit falsch gelegen. Kishoh unterdrückte zwar ohne Gnade jeden, der sich ihm widersetzte, doch er gehörte nicht zu den Menschen, die es mochten, sinnlos Blut zu vergießen.

Nachdem er in diesen wenigen Monaten schon so oft mit ihm geschlafen hatte, war es Sekka langsam möglich, unter Kishohs kaltes Gesicht zu blicken – und er hatte eine Ahnung von den wahren Gefühlen in seinen Inneren bekommen… wenn auch nur ein kleines bisschen.

Jedenfalls sollten wir darüber sprechen, wie es für uns nach dieser Sache weiter gehen soll“, meinte Kishoh plötzlich, nachdem er gerade noch feierlich und schweigend die Weinschale erhoben hatte. „Wenn du meinen Harem verlassen willst, so darfst du das tun.“

Sekka versagte die Stimme.

Für einen Moment lang verstand er nicht, was Kishoh da gerade gesagt hatte. Er konnte den Ausdruck in Kishohs Profil nicht deuten, da es noch immer halb im Schatten lag. Gerade als er noch gedacht hatte, dass er diesen Mann nun endlich ein bisschen besser verstand, hatte er sich erneut von ihm entfernt.

Du wirst nicht mehr den Namen von Prinz Sekka tragen oder nach Ka zurück kehren können. Doch wenn es sonst etwas gibt, das du dir wünschst, so werde ich es dir erfüllen.“

Das ist doch…“ Sekka schaffte es gerade noch, diese paar Worte aus seiner Kehle zu pressen – doch seine Stimme klang so fremd, als würde sie jemand anderen gehören. „Willst du damit sagen, dass du nun, da der Zirkel um den Premierminister zerschlagen ist, keine Verwendung mehr für mich hast und ich verschwinden soll?“

So meinte ich das nicht. Ich sage nur, dass ich dich, wenn du gehen möchtest, frei lassen werde.“ Nun nahm Kishohs Miene einen recht erstaunten Ausdruck an – für ihn absolut ungewöhnlich – so als hätte ihn Sekkas Antwort sehr überrascht. Zwar hatte er Sekkas Worte gleich abgestritten, doch auch dies war in einem neutralen Ton geschehen.

Sekka war seinem Harem beigetreten, wobei er vorgegeben hatte, die Kaiserliche Prinzessin Shungetsu zu sein; Kishoh hatte ihm den Titel der Ehrwürdigen Gemahlin verliehen und ihn den Ersten Prinzen adoptieren lassen. Nun war klar, dass Kishoh vorgehabt hatte, sowohl Premierminister Bu wie auch die Gesegnete Gemahlin Bu aus der Deckung zu locken, indem er Sekka einfach als die Konkubine vorstellte, die von da an am stärksten sein Gunst erhielt. Und sobald sie in Aktion treten würden, konnte er die ganze Meute mit einem einzigen Streich fangen!

Und da dieses Ziel nun erreicht war, hatte er keinen Bedarf mehr an der geliebten „Erwürdigen Gemahlin Li“. Für Kishoh war Sekka von Anfang an nur ein Sexpartner gewesen, der einen ungewöhnlichen Körper hatte! Es war nur logisch, dass er mittlerweile das Interesse an ihm verloren hatte, und da dieses Spiel nun auch seinen Zweck erfüllt hatte, konnte er Sekka nun getrost verstoßen!

An dem Tag, als ihn die Talentierte Mätresse Chou angegriffen hatte, hatte Kishoh zusammen mit Sekka den Tanz der Glühwürmchen über dem Teich betrachtet und er hatte ihm von seiner Mutter, der Kaiserinnenwitwe, erzählt. Sekka hatte geglaubt, dass sich ihre Herzen damals – wenn auch nur ein bisschen – näher gekommen waren. Doch dies war wahrscheinlich nur ein Trugbild seinerseits gewesen!

Sein Heimatland war zerstört worden und man hatte ihn gewaltsam ins Reich seiner Feinde gebracht – und anfangs hatte Sekka allein in seinem Durst nach Rache noch einen Sinn im Leben gesehen. Doch bevor er es selbst bemerkt hatte, hatte Kishoh auch schon sein eigensinniges, hartes Herz durchbohrt.

Ironischerweise war derjenige, der ihm von dem Joch befreit hatte, das ihn seit seiner Geburt auferlegt worden war, sein erbitterter Feind Kishoh gewesen. Er hatte, da dieser Mann sein Geheimnis herausgefunden hatte, vor Kishoh nichts mehr verbergen müssen. Vor diesem Mann konnte er einfach nur Sekka sein. Wäre es denn nicht schön, wenn er sich weder als Frau noch als Mann ausgeben musste und einfach er selbst sein könnte?

In seiner jetzigen Lage würde er wohl niemals seine Rache auszuführen oder den Wunsch seiner Mutter erfüllen und ihre Familie neu gründen können.

Und wenn dem so war, könnte er dann nicht einfach in diesem Land hier an Kishohs Seite leben…?

Sekka hatte sich nie irgendetwas gewünscht oder begehrt. Tatsächlich war dies seit seiner Geburt sein erster richtiger Herzenswunsch gewesen. Doch sobald er sich seiner Gefühle für Kishoh klar geworden war, verkündete dieser Mann, dass er ihn nun gehen lassen würde. Genauso gut hätte er ihm sagen können, dass er nicht mehr länger erwünscht war und er ihn verlassen sollte.

Sekka konnte nicht mehr sprechen.

Es gab keinen Ort mehr, an den er hingehörte… In seiner Brust erhob sich ein Wirrwarr aus Gefühlen der Trauer und Verzweiflung. Sein Blick trübte sich und er begann vor Unsicherheit zu zittern.

Sekka? Was…“, fing Kishoh mit erstaunter Stimme an. Das klang sehr seltsam und als Sekka nun den Kopf hob, sah er die Betroffenheit in Kishohs Zügen – was so gar nicht zu ihm passen wollte.

Konnte denn selbst dieser Mann so ein Gesicht machen…?

Warum weinst du? Du hast den Harem doch gewiss verlassen wollen, oder?“

„…. Hah…“ Erst da bemerkte Sekka endlich, dass er weinte. Die Wärme, die seine Wangen benetzte und der Nebel vor seinen Augen… waren Tränen.

Warum musste er nun vor diesem Mann weinen?! Auch in Sachen weibischem Verhalten gab es Grenzen! Es war absolut beschämend, dass er nun einen Beweis für die Tatsache lieferte, dass nicht nur sein Körper unterjocht sondern auch sein Herz erobert worden war!

Warte!“

Sekka war bereits ohne noch etwas zu sagen von seinem Stuhl aufgestanden und hatte sich in Richtung Tür gewandt. Doch bevor er noch mehr als nur ein paar Schritte gehen konnte, packte ihn Kishoh, der ihm nachgelaufen war, am Handgelenk und hielt ihn fest. Es war so ärgerlich, dass sein Herzschlag sich angesichts der Empfindung dieser biegsamen, starken Finger auf seiner Haut nicht mehr beruhigen wollte – selbst seine Körpertemperatur war höher als normal.

Bitte lass mich gehen. Du brauchst doch sicher nicht mehr jemanden wie mich…“

Ich brauche dich!“

Bei Kishohs schneller Antwort fühlte Sekka sofort die Scham in sich. Anstatt dass er ihm unter Zwang befahl, weiter in seinem Harem zu bleiben, hatte ihm Kishoh gesagt, dass er gehen sollte. Sekka wollte sich gerade wieder umdrehen, als sein Blick aber den von Kishoh traf.

Auch jetzt möchte ich, dass du immer so nah wie nur irgend möglich bei mir bleibst. Und um ganz ehrlich zu sein, will ich es sogar so sehr, dass ich dich am liebsten für immer wegsperren würde – sodass kein anderes Augenpaar als meines dich mehr erblicken kann! Aber… du willst wahrscheinlich nicht mehr länger bei mir bleiben.“

Sekka antwortete nicht.

Wenn dies noch sein altes Selbst wäre, das all diese starken Rachegedanken mit sich herumgetragen hatte, so hätte er sich mit Sicherheit geweigert, Kishohs Geständnis zu erwidern. Doch nun wusste er um seine wahren Gefühle für den Kaiser. Und als er nun das Feuer in dem Blick dieses Mannes sah und das Verlangen in seinen Worten hörte, merkte Sekka, wie in seiner Brust eine überschwängliche Freude zu schäumen begann.

Er war so glücklich und gleichzeitig auch so verärgert, dass Kishoh noch immer nicht Sekkas wahre Gefühle erkannt hatte. Allerdings verstand er auch, dass dies zur Hälfte auch seine eigene Schuld war, da er für so lange Zeit sein Herz verhärtet und verschlossen hatte.

Du weißt nichts über meine Gefühle“, sagte er tadelnd zu Kishoh, während er sich die Tränen mit dem Ärmel seines Nachthemdes abwischte.

Das ist wahr“, erwiderte Kishoh schwach in einem leichten Anflug der Selbstironie. Auf seiner Miene lag ein befangener Ausdruck, der so gar nicht zu diesem mächtigen Mann mit seinen großem Selbstvertrauen passte.

Das war so unfair… Wie konnte er ihn jetzt so ansehen…?

Koukis gestrige Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Es stimmte, dass Kishoh mit einer geradezu unfairen Menge an Charme gesegnet worden war. Es war ärgerlich, doch tatsächlich konnte ihm Sekka, was das anging, nur zustimmen.

Was ich meine, ist… Ich will, dass du hier bei mir bleibst“, murmelte Sekka.

Kishoh fehlten die Worte. Sekka sah, wie sich die Muskeln dieses Mannes verkrampften, als hätte ihn gerade eine Lüge getroffen. Er war so überrascht, dass sich Sekka gleich schon wieder unwohl fühlte.

War er mit diesen Worten zu schamlos gewesen – oder aber zu aufdringlich? Er bereute es schon fast, doch nun, da er sie einmal gesagt hatte, blieb ihm nur noch der Weg nach vorn.

Für dich bin ich wahrscheinlich nur eine seltene Beute, aber…“

Du… hast es wirklich noch nicht erkannt?“

Was meinte er damit? Als Sekka nun mit nassen Wimpern zu ihm aufsah, konnte er sehen, dass Kishohs Miene einen halb wütenden und halb beunruhigten Ausdruck angenommen hatte.

Ich habe mich gleich bei unserem ersten Treffen in dich verliebt! Seit dem Moment, als ich dich zum ersten Mal in dem Wald gesehen habe.“

Vor Sekkas Augen schien sich erneut dieser Mann zu materialisieren, der ihn an einen schwarzen Sturm erinnert hatte. Dieses verblüffende Zufallstreffen mit Kishoh hatte sich noch immer tief in seine Erinnerungen eingebrannt. Wahrscheinlich würde er es auch, solange er lebte, nicht vergessen können.

Doch selbst als Kishoh ihm nun sagte, dass dies Liebe auf den ersten Blick gewesen war, so konnte er es ihm so plötzlich nicht glauben. Zu jenem Zeitpunkt schien Kishoh allgemein kein großes Interesse an ihm gezeigt zu haben.

Ist das gelogen?“

Es ist die Wahrheit!“, rief Kishoh sogleich, als würde es ihm überraschen, dass man seine Worte überhaupt anzweifeln konnte. „Du warst so wunderschön, dass ich dich zuerst nicht für einen Menschen sondern für eine göttliche Nymphe gehalten habe. Mit nur einem einzigen Blick hast du mir das Herz gestohlen… aber damals habe ich das selbst noch nicht erkennen können.“

Als er ihm so direkt sagte, wie schön er gewesen war, merkte Sekka, wie sich seine Wangen röteten. Er hatte nie wirklich selbst darüber nachgedacht, welcher Teil seines Körpers wohl besonders anziehend war – doch wenn Kishoh Gefallen daran fand, war er glücklich.

Selbst als du mit blassem Gesicht dennoch so standhaft deine Dienerinnen verteidigt und mich finster angestarrt hast. Und als dich der gefangene Soldat als die Kaiserliche Prinzessin Shungetsu entlarvte, war es genau dasselbe … am allermeisten hast du dich darum gesorgt, wie wir diesen Mann behandeln würden. Ohne auch nur einmal an dich selbst zu denken, hast du versucht, eine Person zu beschützen, die vom Status her weit unter dir stand. Als ich erst einmal deinen würdevollen und stolzen Charakter sah, der sich niemanden – ganz gleich wem – beugen würde, merkte ich, dass du mich immer mehr fasziniertest.“ Mit ernstem Tonfall legte ihm Kishoh nun seine tiefsten Gefühle offen. „Doch zu diesem Zeitpunkt dachte ich immer noch, dass du Prinzessin Shungetsu wärst. Du hast mich nicht mehr losgelassen, und als dann die eigentlichen Staatsangelegenheiten in Ka untersucht wurden, regte sich in mir ein Verdacht, ob du nicht doch Prinz Sekka sein könntest. Tatsächlich hat es mich sehr überrascht, als ich deine wahre Identität erfuhr.“

Kishohs Augen blickten nun leicht in die Ferne, als er an ihre erste gemeinsame Nacht in der Gyokuyoh-Residenz zurück dachte.

Ich dachte, ich könnte dich, zu dem meinen machen, indem ich mich mit dir vereinigen würde, doch selbst dann war ich nicht im Mindesten zufrieden. Und selbst als ich es wieder und wieder mit dir trieb, reichte mir das nicht. Und das Gefühl des Hungers wurde immer nur stärker. Irgendwann dann erkannte ich, was ich eigentlich wirklich wollte: Ich wollte dein Herz besitzen. Egal ob du nun eine Prinzessin oder ein Prinz bist – ich begehre einfach alles an dir. Selbst wenn ich genau weiß, dass dieser Wunsch sich nicht erfüllen kann… einen anderen habe ich nicht.“

Kishohs Worte waren klar und deutlich – und leicht zu verstehen. Dann hatte Kishoh ihn also wirklich von Anfang an gewollt? Sekka war noch immer überrascht; er konnte es ihm nicht ganz glauben. Auf Kishohs Gesicht zeigte sich ein bittersüßes Lächeln.

Ich wusste, dass du wahrscheinlich am Leben festhalten würdest, solange du noch ein Ziel wie die Rache hattest. Selbst wenn du mich verabscheutest, so wollte ich dich einfach nicht sterben lassen.“

Sekka fragte sich unwillkürlich, ob all diese Drohungen, die das Leben seiner Dienerinnen und das der gefangenen Soldaten gefährdet hatten, nur deshalb ausgesprochen worden waren, um ihn nicht sterben zu lassen. Auf jeden Fall war es eine Tatsache, dass ihm, nachdem sie alle Kishohs Geiseln geworden waren, keine andere Wahl mehr geblieben war, als seine Selbstmordgedanken aufzugeben.

Solange ich dich in meinem Harem behalten würde, könnte ich dich von der Außenwelt isolieren. Indem ich dir den Titel der Ehrwürdigen Gemahlin verlieh und den Ersten Prinzen zu deinem Adoptivkind machte, habe ich meine Absichten als Kaiser deutlich gemacht: Jeder, der dir schaden würde, könnte seine Hand ebenso gut gegen den Kaiser selbst erheben. Ich verstand auch, dass dies die Gesegnete Gemahlin Bu und ihren Vater, Premierminister Bu, provozieren könnte… aber ich war mir so sicher, dass ich dich beschützen könnte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie wirklich so tollkühn handeln würden. Ich konnte mir gar nicht genug Vorwürfe machen, dass du deswegen verletzt wurdest.“

Kishoh runzelte die Stirn und in seine Miene mischte sich deutliche Bitterkeit. Doch Sekka konnte sich tatsächlich gerade nicht erinnern, von welcher Verletzung er sprach.

Welche Verletzung…?“

Die Wunde, als dieser Eunuch deinen Hals geritzt hatte“, meinte Kishoh bitterem. Er nahm Sekkas Kinn in seine Hand und drehte seinen Kopf so, dass er ihn ansehen musste. Sie waren einander so nah, dass sich ihr Atem vermischte. Kishoh untersuchte Sekkas Hals genau. „Allerdings hat es keine Narbe hinterlassen. Das ist gut.“

Er seufzte erleichtert, als er sich dem nun mit eigenen Augen vergewissert hatte. Sekka überraschte das nicht. Er hätte diesen Kratzer ja nicht einmal selbst als Wunde bezeichnet – natürlich war da keine Narbe zurück geblieben.

Wie geht es deinem linken Arm?“

Er macht keine Probleme. Es war ein leichter Tausch, wenn ich damit verhindern konnte, dass man dich verletzen würde“, erwiderte Kishoh mit ernster Miene und in Sekkas Brust prickelte es. Er merkte selbst, wie verlegen er wurde, als sich das intensive Gefühl, dass ihn jemand anderes als wertvoll erachtete, in seinem Körper ausbreitete.

Bei dem Zwischenfall mit der Talentierten Mätresse Chou konnte ich dich dann beschützen. Allerdings weiß ich nicht, ob sich so etwas nicht doch noch einmal ereignen wird. Ich habe bei den meisten Problemen viel Selbstvertrauen in mich und meine Fähigkeiten – aber nicht, wenn es um dich geht. Ich habe Angst, wenn ich mir nun vorstelle, ich könnte dich ebenso verlieren, wie ich meine Mutter als Kind verloren habe. Deshalb denke ich, dass es vielleicht besser wäre, wenn du den Harem verlässt…“ Als er nun seine tiefen Gedanken aussprach, war Kishohs Miene voll offenem Schmerz und Sekkas Brust zog sich zusammen.

Und trotzdem lebe ich. Und dass nur, weil du mich beschützt hast.“ Sekka dachte angestrengt darüber nach, was er nun sagen sollte – seine Gedanken überschlugen sich und waren ein einziges Durcheinander. Angespornt durch seine Gefühle der Liebe für Kishoh, konnte er nur noch stottern: „Ich… Mein Heimatland, meine Familie… du hast mir einfach alles genommen.“

So ist es.“ Kishoh lachte verbissen. In diesem Geräusch klang auch Verzweiflung mit. Er wusste, wie schlimm der Schmerz eines solchen Verlustes war und dass er den Hass eines Menschen, dem er alles genommen hatte, voll und ganz verdiente.

Es bedeutete nicht, dass Sekka diesem Mann jemals für seine Taten vergeben würde – oder er gar eine philosophische Sicht auf die Dinge angenommen und erkannt hätte, dass Kas Untergang am Ende unvermeidlich gewesen war. Seine Mutter, seine Tante und eine große Zahl anderer Leute waren bei Yohs Eroberung gestorben. Wenn er an all die Dinge zurückdachte, die er verloren hatte, quälte ihn ein unbegreifliches Gefühl der Trauer – und er spürte auch den inneren Gewissenskonflikt.

Doch stärker noch als diese Gefühle des Verlustes, waren die Gefühle, die ihn zu Kishoh zogen. Er wollte sich selbst nicht mehr hintergehen und es später bereuen.

Er wusste, wie sehr ihm dieser überhebliche, stolze Mann ans Herz gewachsen war, der die Würde und die Pflichten eines Herrschers auf seinem Rücken trug und doch einsamer war als jeder andere Mensch, den Sekka bis jetzt gekannt hatte. Er wollte diesem Mann, der verkündet hatte, er würde den Pfad der Militärherrschaft beschreiten, nahe sein und einen festen Platz in seinem Leben haben.

Selbst wenn ich den Harem nun verlassen würde, so gibt es doch keinen Ort, an den ich zurückkehren kann… Also, bitte, lass mich an deiner Seite bleiben.“ In seinem Herzen pulsierte eine Kraft, die ihm den Brustkorb zerschmettern könnte. Er war selbst überrascht, wie gut er sich bei diesen Worten fühlte. Er glaubte, dass auch Kishoh bei einem so entscheidenden Zeitpunkt misstrauisch war – und so nahm Sekka all seinen Mut zusammen und verkündete: „Was ich damit meine, ist… dass ich dich wirklich liebe.“

Kishoh fehlten die Worte; er keuchte nur unterdrückt. Plötzlich packte er Sekka an seinen Schultern und starrte ihm ins Gesicht, als wollte er versuchen, die wahre Bedeutung dieser Worte zu verstehen. „Ist das wahr?“

J-Ja.“

Kishohs Miene, die nun gut von dem Kerzenlicht erhellt wurde, war geradezu erschreckend ehrlich. Auch wenn Sekka in seiner Antwort leicht gezögert hatte… kaum hatte er seine Zustimmung erhalten, umarmte ihn Kishoh auch schon fest und bedeckte seine Lippen.

Nnnnh…“

Es war eine stürmische Umarmung. Sekka Lippen hatten sich vor Überraschung leicht geöffnet, und nun wurden sie ihm auch schon gewaltsam auf gezwängt und eine heiße Zunge drang in seinen Mund.

Sekka spürte eine berauschende Empfindung in sich, als ihn nun die so lang vermisste Wärme und der Geruch von Kishohs Körper umhüllte. Das sanfte Fleisch seiner Mundhöhle wurde ausgiebig beleckt und Kishoh drückte sich ausführlich an seine empfindlichen Stellen am Gaumen und dem Zahnfleisch. Sekka wurde von einem unbeschreiblich wohltuenden Gefühl befallen.

Nn… Hmm, huh…“

Seine Zunge streckte sich aus und umschlang sich geräuschvoll mit der von Kishoh. Als seine Knie nachgaben, klammerte er sich an den Rücken des anderen Mannes fest – und wurde nur noch stärker umfasst.

In seinem Kopf herrschte nur noch brodelnde Hitze und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles, was noch existierte, war dieser Arm, der ihn hielt und die Wärme, die er überall auf seinem Körper spürte.


Du bist schöner als jeder andere.“ Kishoh löste den Kuss und sah ihn mit seinen dunklen, brennenden Augen an. Er flüsterte: „Ich habe so viele Dinge getan. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich niemals dein Herz bekommen könnte. Deshalb dachte ich, dass es für dich besser wäre, wenn ich dich frei lasse – doch nun werde ich dich nie mehr gehen lassen! … Selbst wenn du deine Meinung noch ändern solltest…“

Das werde ich nicht.“

Nirgends gab es noch einen Mann wie Kishoh. Weil er Kishoh war, war Sekka – obwohl sie sich als Feinde kennen gelernt hatten – in seinen Bann gezogen worden, bevor er es selbst gemerkt hatte. Wenn es nicht Kishoh gewesen wäre sondern jemand anderes, so wäre er ihm nicht verfallen.

Als er nun zu Sekka hinunter blickte, den er immer noch in aufrichtiger Zuneigung umarmte, lächelte Kishoh breit. „Als wir voneinander getrennt waren, habe ich nur an dich denken können.“

„… Hah…“

Als er ihm diese Worte mit dunkler, süßer Stimme zuraunte, drückte Kishoh seine Hüfte nach vorn. Selbst durch die Nachtgewänder hindurch, konnte man seine wilde Begierde spüren und Sekkas Wangen färbten sich knallrot.

Heute Nacht werde ich dich nicht schonen. Nur dass du’s weißt.“



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Sandas Gedanken zum Text
Ich denke, Kishoh muss mal dringend an seiner Mimik arbeiten. Liebe auf den ersten Blick? Sorry, Junge, davon hat man NICHTS gemerkt!
Aber endlich haben sie zueinander gefunden! Die Schwingungen waren ja schon seit einigen Kapiteln spürbar. Diese Beziehung ist immer noch so konfliktbelastet und ambivalent... aber ich denke, beide können damit glücklich werden.
Ich muss euch bis zum finalen Kapitel leider noch zwei Wochen warten lassen. Das ist wieder recht lang (ihr wisst, was das bedeutet, Leute! *hüstel*) und ich will dieser Geschichte einen guten Abschluss in der Übersetzung geben!



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4 Kommentare:

  1. Ich stimme dem zu... Liebe auf den ersten Blick? Davon hat man wahrlich nichts mitbekommen. Allein schon wie er mit Sekka umgegangen ist. Auch wenn wir in diesem Kapitel mal Kisho seine Sichtweise lesen konnten und ich dennoch das dringende Bedürfnis habe, seinen Kopf in meine Hände zum nehmen und diesen auf seinem Schreibtisch mehrmals knallen zu lassen. Was Sekka angeht... *schwer seufz* Nun ja, solange er glücklich ist und man bedenkt was er alles durchmachen musste und dem doch zum Großteil Stockholm Syndrom. Ich hatte mir ja am Anfang noch erhofft, das Sekka mit seiner Rache länger dran bleibt... Aber es ist auch so schon schwer genug für ihn gewesen. Hauptsache er kommt jetzt zur Ruhe und ich schalte dabei einfach mein Gehirn ab und freue mich für die beiden. Schade das wir in zwei Wochen dann das letzte Kapitel zu lesen bekommen. Auch wenn das nicht so ganz meins war, mit dem Stockholm Syndrom... war es bzw. ist es noch... eine interessante Geschichte gewesen. Und ich hoffe, wir bekommen von dir was Neues^^
    Ich wünsche noch viel Spaß auf der Buchmesse. Wie ich das vermisse. Vor Corona viele Jahre auf der Frankfurter Buchmesse gewesen Q___Q Genieße es^^

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    1. Danke, Mad Hatter! Sorry, wenn die Geschichte nicht ganz deinen Zahn trifft (ist auch ein schwieriges Thema), aber danke für die vielen Kommentare! Und ja, die Buchmesse werde ich ausführlich nutzen udn genießen 😉

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  2. Na endlich haben sie sich gegenseitig ihre Gefühle gestanden und ja, ein bisschen überrascht es schon, dass Kishoh sich bereits so früh in Sekka verliebt haben will, hat er gut versteckt.

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  3. also das hat mir nicht danach ausgesehen. was er im dann auch noch alles angetan hat. diese sachen was er gesagt hat soll nur gewesen sein das er sich nichts antut. mh aber so geshen auch wenn das ein wenig komisch rüber kommt gibt er zu das er in mag und bei sekka ist es auch so. das er sogar seine rache aufgibt um bei im zu sein. sie wollen nicht mehr getrnnt sein und das er in die keine ruhe gönnt. nur ein gedanke hat sekka auf diese worte gewartet. ui da wird es wieder heis hergehen. bin schon gespannt.

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