Gerade, als Sekka der Gedanke kam, dass es sehr nach Regen roch, begannen auch schon die ersten Tropfen zu fallen. Gleich vor seinen Augen ging ein starker Regenguss hernieder und über der Oberfläche der stehenden Gewässer erhoben sich weiße Nebelschwaden.
Sekka sah nur stumm dabei zu.
Er fühlte sich bereits so schon niedergeschlagener als gewöhnlich – und dann kam auch noch Regen dazu. Als er so im Korridor stand und nach draußen in den Garten blickte, entfuhr ihm ein leichtes Seufzen.
Drei Tage war es her, seit Kishoh aufgebrochen war, um selbst an die Front zu gehen. Der Regen hatte seitdem kaum nachgelassen – es war, als wollte er versuchen, Sekkas schlechte Laune nur noch zu verschlimmern. Wie es schien, gab es in Yoh vor Sommerbeginn lange Regenperioden.
Als er sichere Hinweise auf den wahren Aufenthaltsort von Premierminister Bu bekommen hatte, war Kishoh sogleich an die Front gezogen, um seine Truppen am nächsten Tag persönlich anführen zu können. Der Premierminister hatte Kishoh als Thronräuber bezeichnet und einen Kandidaten von einem Nebenzweig der Königsfamilie unterstützt, der daraufhin ein Heer in einer Kleinstadt nahe von Einei aufgestellt hat. Es umfasste in etwa zehntausend Soldaten.
Wenn man bedachte, dass es sich dabei nur um eine Rebellenarmee handelte, die kein festes Ziel oder gemeinsame Überzeugungen teilten, hatten sich doch sehr viele Soldaten zusammen gefunden. Wahrscheinlich hatte der Premierminister viele dieser Leute angeheuert, indem er sein privates Vermögen nutzte, dass er durch illegale Aktivitäten vermehrt hatte. Allerdings war es trotz allem nichts weiter als ein unorganisierter Haufen Gesinde.
Kishoh selbst führte gegen dieses Rebellenheer seine große Armee von zwanzigtausend Soldaten in die Schlacht. Natürlich würde in einem solchen Fall die Partei mit den meisten Leuten gewinnen. Doch wie dem auch sei – die Zahl der Soldaten war nicht immer ausschlaggebend für einen Sieg. Es war auch eine Schlacht, bei der man sich nicht sicher sein konnte, ob nicht doch noch etwas Schlimmes passieren würde.
Wenn man bedachte, dass die Streitkräfte des Premierministers nun Richtung Einei marschierten, gab es wahrscheinlich auch Leute, die sich ihnen unterwegs noch anschließen würden. Kishoh war ein Mann, der unbarmherzig jeden ausradierte, der sich ihm widersetzte – daher konnte sich Sekka nicht vorstellen, dass er wenige Feinde hatte.
Und es blieb eines Tatsache, dass die Wunde, die er sich ein paar Tage zuvor zugezogen hatte – auch wenn sie nicht tief war – noch nicht hatte verheilen können. Würde sie sich denn verschlechtern, weil er zu früh an die Front zog? Er hatte so überstürzt gehandelt… Könnte er sich denn nicht noch einmal verletzen?
Und sowieso gab es da immer noch die Möglichkeit eines Attentats. Da der Gegner von vornherein weniger Soldaten hatte, war es gewiss sein Ziel, sich Kishohs zu entledigen und der Schlange sozusagen den Kopf abzuschlagen.
Wie geht es ihm wohl gerade? Ist er in Sicherheit? Nachdem Kishoh aufgebrochen war, war Sekka die folgenden Tage sehr unruhig gewesen. Wahrscheinlich hatte er mehr an diesen Mann gedacht damals, an dem man ihm noch befohlen hatte, Kishoh jede Nacht zu Diensten zu sein.
Kishoh hatte sich gegen alle Einwände von Eishun und den Ärzten durchgesetzt und war alleine zur Front marschiert. Es wäre wohl nur eine gerechte Strafe für ihn, wenn er sich in der Schlacht verletzen oder gar das eigene Leben verlieren würde. Wahrscheinlich hätte das auch etwas von ausgleichender Gerechtigkeit an sich – so als wäre es die Vergeltung für all seine vergangenen Missetaten.
Aber nein… Bei dem Glück dieses Mannes, mit dem er bis jetzt allen Problemen, die er verursacht hatte, entkommen war, war es fast schon eine sichere Tatsache, dass er nicht so einfach den Löffel abgeben würde. Den Beweis dafür lieferte schon die Tatsache, dass er – der dritt-geborene Prinz ohne nennenswerten familiären Einfluss – den Streit um die Thronfolge gewonnen und den Thron bestiegen hatte – alleine indem er seinen eigenen Einfallsreichtum nutze.
Sekka versuchte auf die eine oder andere Weise seine Unruhe zu mildern, doch unterbewusst dachte er doch immer wieder über diese Sachen nach. Selbst wenn er sich gerade im Spiel mit Eishoh befand, verstrickte er sich in Gedanken an Kishoh.
Was ist nur los mit mir…?
Ganz egal, was er auch tat, Kishoh wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden. Während seiner Abwesenheit sollte er viel lieber über eine Möglichkeit nachdenken, aus dem Inneren Palast zu fliehen! Und doch schaffte er es nicht einmal, sich ein bisschen zu entspannen – von möglichen Fluchtversuchen ganz zu schweigen.
Warum?… Nein, in Wahrheit wusste er es schon. Es war eine Tatsache, dass die Gefühle, die er für Kishoh hegte, nicht mehr einfach nur noch aus Hass bestanden.
Er hatte es bereits erkannt, als sich Kishoh beim Versuch, Sekka vor dem Dolch der Talentierten Mätresse Chou zu beschützen, die Wunde zugezogen hatte. Er wünschte sich nicht mehr den Tod dieses Mannes.
Obwohl sein Land und seine Familie zerstört und das Geheimnis seines Körpers offen gelegt worden war; obwohl man ihn gewaltsam über seine Schamgrenze hinaus in das sündige Verlangen gestoßen hatte und er Kishoh kurzzeitig sogar mit seinen eigenen Händen töten wollte…
Sekka wusste nicht einmal, ab welchen Punkt sich seine Gefühle für Kishoh gewandelt hatten. Auch wenn das nicht hieß, dass sein Kummer und sein Hass vollkommen verschwunden waren, hatte sich nun noch ein anderes Gefühl in seinem Herzen eingenistet. Und es war nicht einfach nur damit zu erklären, dass er nun meinte, er stünde in Kishohs Schuld, weil er ihn gerettet hatte und müsste ihm nun irgendwie dankbar sein.
Es war ein anderes Gefühl. Was war es nur?
Seitdem er von nach dem Zwischenfall mit dem Eunuchen Say auf brutalste Weise gequält worden war, hatte dieser Mann nicht mehr nach Sekkas Diensten verlangt. Zum ersten Mal seit Langem – genauer gesagt seit sich Kishoh damals seines Körpers bemächtigt hatte – schlief Sekka nun seit vielen Tagen alleine.
Die Stärke eines ihn umfassenden Arms und die heiße Körpertemperatur eines anderen Menschen hatten sich so lebendig in seine Knochen eingebrannt… Als nun immer mehr Tage verstrichen, begann Sekka sogar mit Sehnsucht an diese Dinge zurück zu denken.
Deutete er die eigenen Gefühle nun falsch, weil sich seine Lust immer mehr verstärkt hatte? Sekka wollte nicht zugeben, dass er wirklich ein so verkommener Mensch geworden war – aber was war das dann für ein Gefühl in seiner Brust? Diese Gedanken bekämpften sich in seinem Kopf unablässig.
Dieses Gefühl unterschied sich eindeutig von dem Gefühl der Liebe für seine Mutter und seine Schwester. Es war auch anders als die zärtlichen Empfindungen, die er gegenüber Eishoh und Tensei hegte. Das Gefühl, was sich nun tief in seiner Brust verankert hatte, war stärker und lebendiger – und barg eine brennende Glut in sich.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nie etwas Vergleichbares empfunden. War dies vielleicht die Sehnsucht nach einem anderen Menschen?
Wenn Yoh nicht bei ihnen eingefallen wäre, so hätte Sekka wohl sein ganzes Leben im Mondpalast zugebracht und als Mondkaiser gearbeitet. Er hätte sich dem irdischen Leben entsagen müssen und so auch nie die Möglichkeit bekommen, sich jemanden zu nähren oder sein Herz zu öffnen.
Da er in die Königsfamilie Li hineingeboren worden war, hatte er sich seit Kindesalter – seit er erkannt hatte, dass sich sein Körper gewaltig von dem anderer Menschen unterschied – mit diesem Schicksal abgefunden. In gewisser Weise war es ein einsames Los gewesen – doch immer noch besser, als einem anderen Menschen das Geheimnis seines Körper zu offenbaren.
Selbst nachdem seine Schwester gestorben und seine Mutter so schlimm erkrankt war, hatte sich Sekkas Leben in diesem Sinne nicht verändert. Es war natürlich ein großer Wandel gewesen, als Stellvertreter seiner Schwester agieren zu müssen, doch er hatte auch gewusst, dass dies nur eine Zwischenlösung war, bis man endlich Shungetsus Tod bekannt geben würde.
Erst jetzt verstand er es: Dass jeder dieser sanften, ruhigen Tage ein langsamer Schritt hin auf ihre sichere Zerstörung gewesen war.
Hätte man das Fortbestehen von Ka erhalten wollen, hätte es eine tiefgreifende Reform des Regierungswesen gebraucht. Man hätte die Vererbung des Throns in der weiblichen Linie abschaffen müssen. Doch obwohl Shungetsu gestorben war und es keine Nachfolgerin für den Thron mehr gab, hatten sich von Seiten der Königsfamilie und den Mitgliedern des Hofes keine Stimmen erhoben, die eine Reform anstrebten.
Jeder hatte sich zu sehr an den Frieden von Yougetsus Herrschaft gewöhnt – und man hatte ihn weiter im Müßiggang verstreichen lassen. Auch Sekka war trotz seiner Stellung als Prinz einer dieser Leute gewesen.
War es Schicksal, dass Ka am Ende untergegangen war…?
Selbst wenn Yoh sie nicht angegriffen hätte und Sekka weiter Shungetsus Doppelgänger geblieben wäre, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sein Land sich irgendwann nicht mehr selbst hätte erhalten können. Und selbst wenn aller Chancen zum Trotz Sekka wirklich Yougetsu als Herrscherin abgelöst und er den Thron bestiegen hätte, so hätte er unmöglich ein Land führen können.
Sie hatten sich alle jeder Veränderung verwehrt und einem falschen Frieden gefrönt. Diese friedlichen Tage, die eigentlich viele Vorzeichen auf eine nahende Zerstörung gezeigt hatten, waren dann brutal durch die Invasion von Yoh zunichte gemacht worden.
Das Bild, wie Kishoh auf seinem schwarzen Pferd reitend an jenem Tag vor ihm erschienen war, hatte sich so lebendig in Sekkas Erinnerungen gebrannt.
Obwohl er vor ihm aufgetaucht war, als wäre er ein böser, tintenschwarzer Sturm, und auch wenn seine Erscheinung unglaublich furchteinflößend gewesen war, so war Sekka dennoch von ihm beeindruckt gewesen. In der sanften, langweiligen Welt aus Aquarellfarben, in der Sekka bis dahin gelebt hatte, war Kishoh die einzige Figur, die sich mit pechschwarzen Tuschestrichen aus ihr hervortrat.
Hatte ihn dieser Mann damals schon in seinen Bann geschlagen?
Hatte Kishoh nicht nur Sekkas Körper gestohlen, sondern auch sein Herz erobert, indem er das sexuelle Vergnügen nutzte?
Wenn er sich an ihr Gespräch am See erinnerte und an den süßen Kuss inmitten der Glühwürmchen, konnte Sekka den Schauder in seinem Herzen nicht unterdrücken. Es war völlig hilflos angesichts dieses intimen Gefühls der Süße – und es kam nicht einen Moment lang zur Ruhe. Wenn er diese Wärme wirklich verlieren würde… Selbst die Vorstellung daran konnte er nicht ertragen.
Wenn diese Angelegenheit geklärt ist, hatte Kishoh gesagt. Es klang, als wollte ihm Kishoh dann etwas bestimmtes mitteilen. Danach hatte Sekka keine Zeit mehr gefunden, noch einmal mit Kishoh zu sprechen – dieser Mann war zu sehr mit Sitzungen im Kriegsrat und den Vorbereitungen für seine Abreise an die Front beschäftigt gewesen.
Egal wie es nun stand – Sekka wollte, dass Kishoh sicher zurück kommen würde. Es war nicht daran gewöhnt, so ehrlich mit sich selbst zu sein, wenn es Kishoh betraf… Doch dies war sein aufrichtige Wunsch.
„Ehrwürdige Gemahlin…“
Als er die Stimme von Ryuu Kouki hörte, kehrte Sekka, der bis jetzt in Gedanken versunken gewesen war, wieder in die Realität zurück.
Shohen und Baigyoku begleiteten Kouki, der den Gang hinab in Sekkas Richtung kam. In diesen Tagen trugen alle Mitglieder des Kaiserlichen Hofes ihre Rüstungen, da man darauf vorbereitet war, die Streitkräfte des Premierministers Bu gefangen zu nehmen.
„Ihr werdet Euch noch erkälten, wenn Ihr weiter in einer solchen Ecke des Hauses bleibt.“
An einem solch regnerischen, trüben Tag wie heute, wirkte Koukis hübsches Gesicht nur noch freudiger. Mit einer fließenden Bewegung faltete er die Arme vor der Brust zusammen und kam gleich zur Sache: „Vor einigen Minuten kam ein Eilbote mit einer Nachricht. Die Rebellenarmee ist besiegt worden. Kishoh wird mit seinen Leuten wahrscheinlich morgen hier eintreffen.“
„… Unversehrt, will ich doch meinen?“
„Scheint so. Ich hörte, dass Kishoh persönlich die Befehlsführung seiner Armee in der Schlacht übernommen hatte – also scheint seine jüngste Verletzung kein so großes Problem gewesen zu sein.“
Das waren großartige Neuigkeiten… Sekka spürte, wie die Anspannung aus seinem Körper wich. Trotz der Tatsache, dass der dunkle, verregnete Himmel immer noch dunkel und verregnet blieb, schien es Sekka, als wäre augenblicklich die ganze Welt in helleres Licht getaucht.
Als er merkte, wie Kouki ihm mit einem Lächeln ansah, wurden Sekkas Wangen rot. Er erkannte jetzt erst, dass ihm die Erleichterung, dass Kishoh wohl auf war, ins Gesicht geschrieben stand.
„Dieser Mann kann sich wirklich glücklich schätzen, dass sich die Ehrwürdige Gemahlin solche Sorgen um ihn macht.“
Angesichts von Koukis warmem Blick wurde Sekkas Wunsch, sich jetzt umzudrehen und davon zu laufen, nur noch größer.
Auch wenn Shohen und Baigyoku aussahen, als hätten sie gerade gemischte Gefühle, war Sekka erleichtert, dass sie keinen innerstaatlichen Streit vom Zaun brachen. Es gab keinen Grund, anzunehmen, dass ihre Feindseligkeit Kishoh gegenüber nachgelassen hätte – doch wie es schien, waren sie gnädig gestimmt, weil er Sekka mit dem eigenen Körper vor dem Messer der Talentierten Mätresse Chou beschützt hatte.
„Wir haben es zudem Eishuns gründlicher Arbeit zu verdanken, dass die Leute, die Premierminister Bu im Harem stationiert hatte, aufgedeckt und beseitigt wurden. Wie es schien hat sich der Premierminister die Feindseligkeit, die viele Eunuchen gegenüber dem Königshaus hegten, zu Nutzen gemacht und sie als Verbündete auf seine Seite gezogen. Sie waren zu seinen Schachfiguren, seinen Augen und Ohren geworden.“
Der Eunuch Say Bunsei, der versucht hatte, sich an Sekka zu vergehen, war wie seine Kumpane auch mit Geld, Frauen und Alkohol bestochen worden, die Premierminister Bu ihnen allen versprochen hatte. Sie hatten gestanden, dass ihnen die Anweisungen von der Gesegneten Gemahlin Bu übergeben worden waren, und hatten sich dann kleinlaut auch zur jetzigen Entwicklung der Ereignisse bekannt.
„Eishun hat nicht nur diejenigen ausradiert, die direkt in den Komplott von Premierminister Bu involviert gewesen waren – er hat sich auch andere, rebellische Elemente zur Brust genommen. Von jetzt an sollte es im Harem keine Gruppen mehr geben, die noch weiter Ränke schmieden. Damit wird Kishohs Herrschaft noch mehr gefestigt sein.“
„Und ist dies in Eurem Interesse?“, fragte ihn Sekka unbewusst. Sein Tonfall klang leichtherzig – so als wäre dies eine Frage die jemand anderen betraf und nicht etwa den Mann gleich neben ihm. Tatsächlich machte er sich ein wenig Sorgen, da die Aufgabe, die befehlenden Organe der Fraktion von Premierminister Bu auszulöschen, in Koukis Händen lag.
Kouki hob erstaunt seine Augenbrauen. Offenbar schien er Sekkas Worte nicht als unhöflich anzusehen – nein, sie schienen ihn sogar zu belustigen.
„Die Ehrwürdige Gemahlin fragt sich wohl, ob es für mich in Ordnung ist, wenn Kishohs Herrschaft fortbesteht, nicht wahr? Immerhin war ich einst sein Rivale, der mit Kishoh um den Thron gekämpft hat.“
„Verzeiht. Diese Frage war ungehörig.“
Sie war wirklich sehr unhöflich gewesen. Wahrscheinlich klang es so, als würde er an Koukis Loyalität zweifeln.
„Das macht mir nichts aus.“ Kouki lachte nur fröhlich, als Sekka sich für sein schlechtes Benehmen entschuldigte. „Egal wie die Dinge heute stehen, es gab immerhin wirklich eine Zeit, in der er und ich einander bekämpft und unser beider Leben dabei riskiert haben, oder? Es ist nicht gerade abwegig, wenn die Ehrwürdige Gemahlin die Umstände unserer jetzigen Beziehung seltsam anmuten.“
Wie es schien war das damals wirklich ein schlimmer Krieg gewesen, der das Land geteilt hatte. Doch Koukis Miene war so sorglos und unbeschwert, dass Sekka nicht auch nur die kleinste Spur an Missgunst für Kishoh in ihm erkennen konnte.
„Kishoh hatte mir befohlen, ihm zu dienen. Ich war in der letzten Schlacht besiegt worden, hatte mein rechtes Auge verloren und nur noch den Tod vor Augen gehabt. Zu jener Zeit dachte ich nur: Was für eine krankhafte Demütigung soll das werden? Er will mich doch nur in den Dreck ziehen, wenn er mich zwingt, das Knie zu beugen und mein Leben auf ewig unter der Gnade meines Feindes zu fristen, nicht wahr? Ich dachte mir, dass ich einfach warten würde, bis ich in Kishohs Rüstung eine Schwachstelle fände – und ihn dann vernichten könnte“, sagte er locker, während er diese gefährlichen Sachen erzählte. Wahrscheinlich konnte er nur deshalb so leichtfertig darüber sprechen, weil es ihn nicht mehr länger interessierte. Auch Shohen und Beigyoku lauschten Koukis Geschichte mit unbewegten Mienen. „Unerwarteterweise hat hat er mich gleich zu seinen Stabsleuten gesteckt und als ich schon dachte, ich hätte mich endlich wieder in der Hauptstadt eingelebt, hat mir Kishoh den Posten des Obersten Haushofmeisters zugeteilt, wo ich sehr hart arbeiten musste. Es ist ein Job, bei dem sich normale Probleme vorzüglich zu gigantischen Bergen auftürmen. Es ist nicht nur ein- oder zweimal vorgekommen, dass ich mir unnötig jemandes Feindschaft zugezogen hatte und man mir auch nach dem Leben trachtete. Tja, und irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich merkte, dass es den Mann, der ich einst gewesen war, nicht mehr gab…“ Kouki lächelte schief, sein Blick war in die Ferne gerichtet, als er sich an die Vergangenheit erinnerte. „Die ganze Zeit war ich damit beschäftigt, dieses und jenes Problem zu lösen – und irgendwann erkannte ich, dass all meine Gedanken daran, den Thron zu erobern, verschwunden waren und nicht mehr existierten. So sehr es mich ärgert, das zuzugeben: Kishoh ist kein schlechter Herrscher. Es gibt wahrscheinlich keinen, der geeigneter wäre, die Rolle des Herrschers von Yoh zu übernehmen, als ihn. Ehe es mir selbst bewusst geworden war, hatte sich in mir auch schon der Gedanke eingenistet, dass es nicht übel wäre, einfach an seiner Seite zu bleiben und zusehen zu können, wie sich das Leben dieses Kerls entwickeln würde.“
In Koukis Blick lag kein Zögern. Wahrscheinlich hatte er wirklich seinen Durst nach Rache vor langer Zeit begraben.
„Dieser Kerl hat eine seltsame Anziehungskraft. In einem Ausmaß, das fast schon unfair ist. Jeder, der sich ihm nährt – egal ob nun mit rebellischen Absichten oder aber als Speichellecker – alle werden sie irgendwann von Kishoh bezwungen.“
In der Tat besaß Kishoh ein Talent dafür, die Leute in seinen Bann zu ziehen und sie nicht mehr gehen zu lassen. Es war eine magische und kaum zu widerstehende Kraft. Wahrscheinlich war selbst Sekka seit ihrem ersten Treffen in den Tiefen der Wälder davon beeinflusst worden.
„Die Ehrwürdige Gemahlin weiß wahrscheinlich sehr gut, wovon ich spreche.“
„… ein wenig“, murmelte Sekka vage, weil es ihm peinlich war, es zuzugeben. Doch, da er fast dieselben, scharfen Augen besaß wie Kishoh, verstand ihn Kouki bestimmt. Es bestand kein Zweifel, dass auch Shohen und Baigyoku, die so nah mit Sekka zusammen lebten, den Wandel in seinen Gefühlen bemerkt hatten.
„Oh, sieht aus, als würde der Regen abklingen. Es war wahrscheinlich nur ein kurzer Guss“, meinte Kouki, als er sich der Dachkante nährte und hinauf zum weiten Himmel blickte. Auch wenn er immer noch zum Großteil von Regenwolken bedeckt war, zeigte sich im Westen ein helles Licht, das durch sie hindurch schien.
Würde es denn dann morgen ein klarer Tag werden? Ein klarer, azurblauer Himmel wäre wie geschaffen dafür, die glorreiche Rückkehr von Kishoh und seine Armee in der Hauptstadt zu begrüßen.
„Es wäre schon schön, wenn wir morgen einen klaren Tag hätten, was?“
Sekka lächelte leicht angesichts von Koukis Worten – er hatte genau dasselbe gedacht.
Wie niedlich, Sekka entdeckt seine Liebe und vermisst Kishoh
AntwortenLöschenNach Monaten voller bitterer Schicksalsschläge steht ihm endlich auch mal etwas Glück und fluffige Gefühle im Bauch zu, oder? 😉
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